27. Festival Sandstein und Musik

Pirna Sonnenstein. Das auf einem Felsplateau etwa 70 Meter über der Elbe gelegene Schloss Sonnen- stein blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Im Schutz dieser Grenzburg entstand um 1200 der Handelsplatz Pirna. Nach dem Siebenjährigen Krieg verlor die Festung ihren militärischen Status. Ab 1811 beherbergte der Ort eine Anstalt für Geisteskranke und genoss einen guten Ruf – bis sich die Burg 1940/41 im Rahmen der NS-Euthanasie-Aktion zur Tötungs- anstalt wandelte. Eine Gedenkstätte erinnert an die- ses dunkle Kapitel. In den 1990er-Jahren bemühten sich private Investoren vergeblich, dem zuletzt als Rehabilitationszentrum genutzten Schloss eine Zu- kunft zu geben. 2007 erwarb es der Landkreis Säch- sische Schweiz – Osterzgebirge vom Freistaat Sach- sen. Saniert und zum Verwaltungssitz umgebaut, wurde Schloss Sonnenstein im Dezember 2011 sei- ner neuen Bestimmung übergeben. Programm „Das Loch in der Brücke“ Groteske, heitere und musikalisch umrahmte Kurzgeschichten von: Sławomir Mro ż ek (1930-2013) Die gelesenen Texte: Die Revolution Tee oder Kaffee Auf dem Turm Der Partner Der Nachtexpress Hamlet Das Loch in der Brücke Der Held Die Leiden des jungen Werther Der Nobelpreis Brief nach Schweden Aus dem Tagebuch eines Emporkömmlings Der Wächter der chinesischen Vase Die Antiquität Gesundheitswesen Ausführende Friedrich-Wilhelm Junge (Lesung) Michael Fuchs (Klavier) Ive Kanew (Saxophon) Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause 63 Schriftsteller profiliert. 1957 erscheint sein erstes Buch mit satirischen Erzählungen. Es folgten mehrere Theaterstücke, darunter „Tango“, „Emigranten“, „Polizei“ und „Striptease“. Sie machen Mrożek weltberühmt. Auf westdeutschen Bühnen gehören sie zu den meistgespielten Werken überhaupt. 1962 verlässt der Autor Polen und beantragt 1968, als Reaktion auf die Niederschlagung des Prager Frühlings, politisches Asyl in Frankreich. Nach langen Jahren in Paris und später in Mexiko kehrt er 1996 in seine Heimatstadt Krakau zurück. Seinen Lebensabend verbringt Mrożek wieder in Frankreich, in Nizza, wo er am 15. August 2013 stirbt. „Jeder lebt, aber irgendwie sind wir doch alle Dilet- tanten, überfordert in einer Welt, in der gestern alle Techno tanzten und heute Tango, in der man ent- weder arbeitslos ist oder sich zu Tode arbeitet, in der Fußballer auf einmal aussehen wie Frauen, die Frauen in der Fußball-WM aber besser abschneiden als das starke Geschlecht. In solchen Zeiten brau- chen wir Hilfe“, heißt es im Umschlagtext des Buchs „Das Leben für Anfänger“. Es sind Sätze, die ebenso gut von Friedrich-Wilhelm Junge stammen könnten, mit dem an diesem Abend ein kongenialer Ver- mittler der Erzählungen Mrożeks zu erleben ist. „Er hat die Texte eines Tages angebracht“ erinnert sich Pianist Michael Fuchs an den Impuls des Schau- spielers. Beide kennen sich durch jahrelange künst- lerische Zusammenarbeit auf dem Theaterkahn, sind 26. Konzert Pirna, Schloss Sonnenstein Donnerstag 5. Dezember 2019 19:00 Uhr Cover des Buchs „Das Leben für Anfänger: ein zeitloses ABC“ von Slawomir Mrozek, erschienen im Diogenes Verlag miteinander vertraut, verstehen sich quasi blind. Michael Fuchs fungiert auf dem Kahn am Elbufer der Dresdner Altstadt als eine Art Kapellmeister, darüber hinaus zählt er zu den aktivsten und vielsei- tigsten Musikern hierzulande. Auch mit seiner Band ist er in diesem Jahr beim Festival Sandstein und Musik zu Gast. Am heutigen Abend ergänzen sich der beschlagene Komponist und Pianist Michael Fuchs und der Saxophonist Ive Kanew, um einen besonderes literarisches Programm zu vollenden und abzurunden. Sie improvisieren Musik, die hier nach Jazz oder Blues, da nach verschiedenen Spielarten des Tangos klingt, stets aber eigenständig bleibt. Vir- tuos und feinfühlig greifen sie als Duo die literari- schen Bilder auf und würzen das Geschehen mit ei- genen Kompositionen. Der Humorist meint es besonders ernst Improvisierte Musik entwickelt ihre ganz besondere Verbindung zur literarischen Welt von Sławomir Mrożek. Es ist eine Musik, die ihre Wurzeln nicht verleugnet und die dennoch nicht stillsteht. Musik, die Neugier verkörpert und unterwegs bleibt. Wie verhält es sich noch, laut Mrożek, mit dem Fremdsein auf Bahnhöfen? Er erklärt Fremdsein zur Bedingung, um sich als Einheimischer sehen zu können. Und je einheimischer man sich auf Bahnhöfen fühlt, umso mobiler, wacher scheint der Geist. Umso ausgepräg- ter zudem die Fähigkeit, über die Freude am Wider- spruch und Widersinnigen, über das Lachen zum Kern der Dinge vorzudringen. Der Schriftsteller Marcel Reich-Ranicki (1920-2013), der wenige Wochen nach seinem Kollegen starb, sagte: „Mrożek ist Humorist – also meint er es besonders ernst.“ – .

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