27. Festival Sandstein und Musik
nichts dabei finden, Galgen durch die Stadt zu tra- gen oder das Ertrinken unliebsamer Zeitgenossen lautstark einzufordern. Das verbinde mit bieder- meierlicher Zurückhaltung, wer da will – da zu- mindest hat ein Teil der Dresdner erfolgreich einen Imagewandel bewirkt. Austausch – Motor der Entwicklung Dagegen konstatiert Kraszewski noch: „Gäbe es etwas Beständiges auf Erden, so könnte man sich fürwahr an dem Anblick dieses fast glücklichen Erdenwinkels freuen, denn er will keine unmöglichen Dinge und ist mit dem zufrieden, was er besitzt.“ Und, wo es schon um Zufriedenheit geht: „Selten war ein Land mit seiner Verwaltung, den Gesetzen, nach denen es regiert wird, mit seiner Existenz so zufrie- den, wie es Sachsen ist“. Man darf also, ohne irgend- wie Partei ergreifen zu wollen, behaupten, dass sich Sachsen und damit Dresden durchaus etwas verän- dert hat. Gerade in den letzten Jahren begaben sich folgerichtig immer wieder Autoren von nah und fern auf die Suche nach den Spezifika der „Dresdner Seele“, wie es auch vor ihnen schon immer wieder versucht wurde. Entsprechend rahmen den Kraszewski-Text Gedichte von Schriftstellern, die sich zu verschiedenen Zeiten aus verschiedener Sicht mit Dresden literarisch aus- einandersetzten. Joachim Ringelnatz beispielsweise, der als gebürtiger Wurzener weder ganz heimisch noch so richtig fremd ist, konstatiert „Die Stadt macht einen ganz barock“ und widmet sich statt der Be- schreibung der seiner Meinung nach hinlänglich bekannten Sehenswürdigkeiten den Alltagsfragen, die in Dresden die gleichen sind wie andernorts: „Was sind wir nur an Gas und Miete schuldig?“ Der gebürtige Berliner Günther Walling setzt dem Großstadtlärm seiner Heimatstadt die arkadische Atmosphäre des Elbtals entgegen und genießt die hiesige Ruhe, scheint also ganz einer Meinung mit Kraszewski und seinen Worten, die er über die Neustadt äußert. So wie zu seiner Zeit die polnischen Emigranten bereichern auch heute noch Künstler aus anderen Ländern das Dresdner Kulturleben. Mit dem Duo Kratschkowski verdeutlichen zwei ukrainische Mu- siker, dass gerade im kulturellen, vor allem im musi- kalischen Bereich der Austausch über Ländergrenzen hinweg immer ein Motor der Entwicklung war – ge- rade in Europa, wo so viele Eigentümlichkeiten bei engen Nachbarschafts- und Verwandtschaftsverhält- nissen bestehen. Dass die Auseinandersetzung mit dem Eigenen aus einem anderen Blickwinkel man- ches besser oder neu zu verstehen ermöglicht, geht Programm „... aber kann man von diesem biederen, ruhigen Dresden allzuviel verlangen?“ – Auszüge aus: Jósef Ignacy Kraszewskis „Reiseblättern“ (1858), Dresden-Gedichte und Musik für Akkordeon-Duo Ausführende Anna-Katharina Muck (Lesung) Thomas Stecher (Lesung) Duo Kratschkowski Elena Kratschkowskaja (Akkordeon) Ruslan Kratschkowski (Akkordeon) Konzertdauer ca. 1 Stunde 50 Minuten inkl. Pause 25. Konzert Wilsdruff, Rittergut Limbach Sonntag 1. Dezember 2019 17:00 Uhr 61 Wilsdruff. Das Rittergut gehörte bis 1458 einem Taubenheimer, bis er es an Hans von Schönberg ver- kaufte. 550 Jahre, bis 1945, blieb das Gut im Besitz dieser Familie. Danach zogen Umsiedler und Flücht- linge dort hinein. 1998 musste es wegen fortschrei- tender Baufälligkeit verlassen werden. Zurzeit wird das Gut von der Stiftung Leben und Arbeit saniert. Mit dem Rittergut Limbach werden historisch bedeut- same Räume, die vom Verfall bedroht sind, für viel- fältige Zwecke genutzt und auf diese Weise wieder- belebt. So steht im Mittelpunkt der Stiftungsarbeit nicht allein dieWiederherstellung der Gebäude, son- dern das gemeinsame Ziel: die Vermittlung von demo- kratischen Fähigkeiten und christlichen Werten. dabei einher mit der beruhigenden Erkenntnis, dass es ein Leben jenseits der Elbhänge gibt und mög- licherweise manchmal gar nicht jeder Brückenbau, jedes Sims und jede Ratsentscheidung so welten- schwer und hochbedeutsam ist, wie es der Dresdner bisweilen gerne nimmt. Jósef Ignacy Kraszewski (Fotograf unbekannt)
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