27. Festival Sandstein und Musik
Wenn sich die seltene Gelegenheit bietet, Tom Pauls in einem ruhigen Augenblick zu erwischen, sind diese Minuten besonders kostbar. Wach, freundlich und fokussiert gewährt der Schau- spieler dann Einblicke in den Alltag eines vielbe- schäftigten Künstlers mit fast minutiös strukturier- tem Zeitplan. Seit Jahren täglich gelebte Bühnen- und Medienpräsenz, gut drei Dutzend Repertoire-Pro- gramme und nimmermüder Spaß am und mit dem Schauspiel haben sein Credo als Schatzkämmerer des Sächsischen Dialekts manifestiert. Neben Open Airs und Gastauftritten an der Seite der Elblandphilharmonie ist nicht zuletzt die Verleihung des sächsischen „Wort des Jahres“ wesentlich mit seinem Engagement verbunden. So hat manche hier gehaltene Laudatio ihren Einzug ins Bühnenprogramm gehalten. Lust, Disziplin und Handwerk sind aber nicht alles, wie bereits in den ersten Sätzen des Gespräches deutlich wird: „Hier im Theater geht es vor allem um Qualität. Die Verleihung des Bundes- preises für Handwerk in der Denkmalpflege hat uns kurz nach Eröffnung des Hauses natürlich stolz ge- macht, sie spiegelt bereits im äußeren Erscheinungs- bild unseren hohen Anspruch wider. Und das soll auch für die Bühne gelten. Und zwar in Ihrer ganzen Vielfalt! Ich verstehe diesen Spielort als ein Theater- haus für die sächsische Seele. Das ist für mich ein wahrer Glücksfall.“ Pirna als Mittelpunkt zwischen Arbeit und Erholung Den interessanten Gedanken des Glücks lohnt es natürlich aufzugreifen. Beim Treff im Theater-Cafe herrscht gemütliche, fast familiäre Stimmung. Tom Pauls erläutert: „Pirna hat für mich schon immer eine besondere Topografie, denn es liegt genau in der Mitte zwischen Dresden als meinem Arbeitsort und Rathen, wo ich mich erholen kann. Pirna ist ja nach der Jahrhundertflut arg gebeutelt worden, aber zum wiederholten Mal wie Phoenix aus der Asche auf- erstanden, heute ist es sichtbar ein traumhaftes architektonisches Kleinod.“ Dieser Glanz ist einerseits sicher eng mit der ereig- nisreichen Geschichte der Stadt verwurzelt, enga- gierte Bürger, kluge und schnelle Entscheidungen und die attraktive Lage vor den Toren des Elbsandstein- gebirges haben in den vergangenen beiden Jahrzehn- ten dazu beigetragen, dass sich Einheimische und Touristen in Pirna wohlfühlen können. Ein wesent- licher Meilenstein der sehr gut dokumentierten The- aterchronik ist 2008 die Wiedererrichtung des ver- schollenen Obelisken, einst errichtet zur königlichen Erstbegehung des Liliensteins. Gemeinsam mit dem Ein Theaterhaus für die sächsische Seele Von Christian Schöbel 56 damaligen Pirnaer Oberbürgermeister wurde 2008 am Rande der Feierlichkeiten die Idee geboren, einen Ort für die Ilse-Bähnert-Stiftung zu finden, ein Objekt am Markt empfahl sich. So kam es denn zu Gesprächen und es wurde eine Begehung des Eckhauses vereinbart. An jenen Mo- ment erinnert sich Tom Pauls noch gut: „Natürlich war das Gebäude traumhaft, aber es machte von außen keinen hoffnungsvollen Eindruck. Innen aber passierte etwas Merkwürdiges. Wie durch ein Wun- der begannen sich die Strukturen des Hauses zu öffnen. Im Nachhinein kann ich sagen: nicht ich kam zu dem Haus, sondern umgekehrt, die Dinge kamen zu mir. Das ist mir übrigens auch in anderen wichti- gen Momenten meines Lebens oft passiert.“ Veranlagte Liebe zur Sächsischen Schweiz Die spätere Umsetzung der Sanierung des spät- gotischen Baumeisterhauses unter denkmalpfle- gerischen und veranstaltungstechnischen Gesichts- punkten zugleich war ein Kraftakt, der bereits in den Anfängen Hoffnung verbreitete. Bald fanden die ersten Baustellenkonzerte statt und ließen erahnen, dass in Pirna ein solcher Hort für Theater und Musik gebraucht wird. Zum Sandstein hat Tom Pauls dabei eine besondere Beziehung, hier reichen die Wurzeln sogar bis in die Kindheit zurück. „Meine Liebe zur Sächsischen Schweiz ist genetisch veranlagt. Mein Großvater verbrachte sämtliche Urlaube hier, ich als gebürtiger Leipziger war natür- lich vom Gebirge fasziniert. Und während meiner Studienzeit am Staatsschauspiel erschloss sich hier eine andere Welt. Klettern, Wandern, das legen- däre ‚Boofen’, Gitarre, Rotwein, Lagerfeuer, hier war man von den Zwängen der Stadt befreit. Wir hatten eine wunderbare Zeit.“ So wundert es nicht, dass der Schauspieler und Kabarettist, der übrigens gern auch einmal allein die Wanderschuhe schnürt, sich heute als profunder Kenner der Materie Sächsische Schweiz entpuppt. Und: Er kennt sich hervorragend aus mit Pfaden, Schluchten, Formationen, Anekdo- ten und Geschichten bis zu Natur- und Lichtverhält- nissen und all jenen Kleinigkeiten, die den Reiz der Landschaft ausmachen, aber in keinem Reiseatlas zu finden sind. „Lieblingsorte gibt es, die werden aber nicht ver- raten. Wenn man von früh bis spät im Fokus steht, muss man auch manchmal Energie tanken. Da lasse ich meinen Blick schweifen. Dinge, die einem das Leben schwer machen können, lösen sich dann ein- fach in Wohlgefallen auf. Ich habe einige solcher Stellen, für mich sind es regelrechte Kraftorte.“ Szenenbild aus der musikalisch-biografischen Erzählung der lustigen Witwe aus Sachsen: „Ilse Bähnerts Tubamania“ im Tom Pauls Theater im Peter-Ulrich-Haus Pirna
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