27. Festival Sandstein und Musik

Es gibt Musik über Malerei – Modest Mussorgskis Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ von 1874 zählt zu den prominentesten Beispielen. Musik lässt Bilder im Kopf entstehen. Sie kann einen Vortrag über Bilder begleiten und inten- sivieren. Beim Festival ist die „Musikalische Bild- betrachtung“ inzwischen zu einer festen Kategorie geworden. Die Kombination liegt nahe, weist sie doch auf etwas hin, das in der Region im Überfluss vorhanden ist: Anmut der Natur, die neben Ausflüg- lern vor allem Künstler seit Jahrhunderten inspiriert. Und obendrein Wissenschaftler. Der Maler, Geologe und Historiker Eugen Bracht (1842-1921), der von 1901 bis 1919 als Professor an der Dresdner Kunstakademie wirkte, erzählte von einer Preisfrage auf einem internationalen Geo- logenkongress Anfang des vorigen Jahrhunderts. Sie lautete: „Welche Landschaft der Erde hat ihrer Gestalt, Eigentümlichkeit und Schönheit nach den stärksten Eindruck auf die Teilnehmer gemacht?“ Wer das Rennen machte, überrascht nicht: Es ge- wann die Sächsische Schweiz. Der Mensch und sein entwickeltes ästhetisches Empfinden traten in einem Kapitel der Erdgeschichte auf den Plan, in dem die Region als unvergleichliches Naturwunder erlebbar ist. Die Elbe mit ihren Zuflüssen wie Kirnitzsch oder Gelobtbach, Polenz oder Biela haben im Verbund mit Wind, Regen und Eis die Sandsteinschicht abge- tragen, zerfurcht, zerklüftet. Die Zeiträume über- steigen die menschliche Vorstellungskraft. So ent- steht der Eindruck, diese schroffe, bizarre Felsland- schaft, letztlich nur mehr Reste einer weit aus- gedehnten Ebene, die einst einen Meeresboden bildete, habe schon immer so ausgesehen und werde immer so bleiben. Einzig Fluten, Felsstürze und Fels- abbrüche erinnern daran: Auch hier ist alles im Fluss. Nichts bleibt, wie es ist. Auch Tafelberge gehen zugrunde, irgendwann. „Seit ihrer künstlerischen Entdeckung durch den Schweizer Adrian Zingg im 18. Jahrhundert hat sich der Ruhm dieser ungewöhnlichen und pittoresken Landschaft ständig vergrößert. Caspar David Fried- rich hat ihr einen Platz in der Weltkunst gesichert“, bringt es Frank Richter in seinen Gedanken zu dieser Bildbetrachtung auf den Punkt. Wer einen Dresden- besuch plant, der plant in der Regel einen Ausflug ins Elbsandsteingebirge gleich mit. „So ist es bis heute geblieben. Trotz vieler Veränderungen – neue Verkehrswege, Erweiterung der Ortschaften, inten- sive Nutzungen von Flächen – hat die Sächsische Schweiz ihren besonderen Reiz nicht eingebüßt“, beobachtet der Referent. Der Entdeckung der Landschaft folgte bald das Bewusstsein, dass es sich um einen bewahrens- werten Schatz handelt. Geradlinig und im Konsens verlaufen Entwicklungen dort, wo Menschen sich niedergelassen haben, bekanntlich selten. Immer wieder kollidieren verschiedene Interessen. So bedurfte es Jahrzehnte und vieler Akteure, bis die Bestrebungen um Naturschutz 1990 in der Schaffung eines Nationalparks mündeten. Seitdem ist die Sächsische Schweiz als bedeutendes Schutzgebiet ausgewiesen, was – Fluch und Segen zugleich – ihre Anziehungskraft für die Besucher aus nah und fern weiter erhöht hat. Nicht nur als Region für Wanderer, mehr noch als Klettergebiet genießt die Sächsische Schweiz in- ternationale Anerkennung und Respekt. „Für den großen Naturschützer und Forstmann Dietrich Graf (1936-2017) war diese Landschaft sein ‚Zauber- garten’“, sagt Frank Richter. Beide haben ihre „Liebe zur Landschaft in vielfältiger und anregender Weise geteilt“. Der Dresdner möchte in seinen beiden Vortragsteilen ein besonderes Loblied anstimmen, anhand künstlerischer Darstellungen und Fotoimpres- sionen tiefe Einblicke gewähren. Dazu wird er Menschen zitieren, „die sich von der Felsenlandschaft auf besondere Weise haben anrühren lassen“. Mehr als nur eine musikalische Umrahmung bieten dazu die Beiträge eines jungen, aus einer ganz an- deren Region kommenden Akustikgitarristen. Peter Groesdonk wurde 1995 in Mülheim an der Ruhr geboren. Derzeit studiert er in Dresden. Seine schon im Kindesalter geweckte Leidenschaft für die Gitarre beschränkt sich nicht auf das Spiel. Groesdonk komponiert auch. Einen Gutteil seiner Beiträge für diese musikalische Bildbetrachtung hat er selbst geschrieben. Wo sind seine Stücke entstanden? Natur, Klavier und Dusche als Inspiration „Der Ort, an dem ich die meiste Zeit an meiner Musik arbeite, ist mein Dresdner WG-Zimmer“, verrät Peter Groesdonk. „Doch immer dann, wenn es mir möglich ist, gehe ich raus in die Natur, um mich von ihrer Schönheit und Ruhe inspirieren zu lassen.“ Der Musiker formuliert es vorsichtig. Ja, bei Tages- licht lässt es sich einerseits gut arbeiten, anderer- seits wirken Störfaktoren. „Die Tageszeit spielt bei der Arbeit an meiner Musik eine wichtige Rolle. So ist es mir nur sehr selten möglich, mich tagsüber vollständig auf das Komponieren zu konzentrieren. Sächsische Schweiz – Vom Lob der Landschaft Von Karsten Blüthgen 54 Kleine Gans. Im Oktober hat sich die Felslandschaft mit den glühenden Farben des Herbstes geschmückt. Über Nacht ist Schnee gefal- len und hat ihr plötzlich ein neues Gesicht gegeben – sie förmlich verzaubert.

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