27. Festival Sandstein und Musik
„Clavir-Übung | bestehend in | Praeludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, | Menuetten, und andern Galanterien; | Denen Liebhabern zur Gemüths Ergoetzung verferti- get | von | Johann Sebastian Bach | Hochfürstl: Säch- sisch-Weißenfelsischen würcklichen Capellmeistern | und | Directore Chori Musici Lipsiensis …“ Als „Klavierübung Teil I“ erschienen Johann Sebas- tian Bachs „6 Partiten“ 1731 im Druck. Eine Partita ist eine mehrsätzige Folge von Instrumentalstücken in stilisierter Tanzform ähnlich der Suite. Wann die 1728 als Einzeldruck herausgegebene Partita IV (BWV 828) entstand, ist unbekannt. Bach formte die einzel- nen Sätze als freie individuelle Charakterstücke und überschritt die formalen Grenzen der Tanzsätze. Der Eröffnungssatz im französischen Ouvertürenstil, mit klaren Punktierungen und Ornamenten in der Melo- dielinie der feierlichen Einleitung, setzt sich im zwei- ten Teil als dreistimmiges Fugato im 9/8 Takt fort. Das Italienische Konzert F-Dur, BWV 971 stammt aus den „Klavierübungen Teil II“, gedruckt 1735 in Nürn- berg und trägt einen ähnlichen Titel: „Zweyter Theil | der | Clavier-Übung | bestehend in | einem Concerto nach Italiænischen Gusto, | und | einer Overture nach Französischer Art, | vor ein | Cla- vicymbel mit zweyen | Manualen; | Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergötzung verferdiget …“ Eigentlich bezeichnet im 18. Jahrhundert ein Konzert, italienisch concerto, eine mehrsätzige Komposition für ein Soloinstrument mit Orchester. Bach kompo- nierte sein Konzert für ein einziges Instrument und löste das Problem durch sorgfältig eingezeichnetes „forte“ und „piano“, die Tutti- und Solo-Stellen in der Lautstärke voneinander unterscheiden. Auch sind Formbau und Themenbildung in den Solo- oder Tutti- Abschnitten verschieden, beruhen auf unterschiedli- chen Gestaltungsprinzipien und bilden trotzdem eine Einheit. Peter Rösels feinsinnige Spielweise, die auf einer analytischen Herangehensweise beruht, wird Bach besonders gerecht und lässt die klaren Strukturen der Musik deutlich hören. In einem Interview mit Wolf- gang Lempfrid (KölnKlavier) sagte der Interpret des heutigen Konzerts vor einigen Jahren einmal: „Erst mal will ich genau wissen, was das Stück aussagen will, wie es konstruiert ist und wie [ich] dahin komme, den Gehalt dem Hörer verständlich zu machen. Erst dann kann ich mir Gedanken machen, wo ich aus den Vorgaben des Komponisten aus- brechen kann und wo ich sie genau zu befolgen habe. Der Geist der Musik, übertragen auf den Hörer Von Dr. Bettina Felicitas Jeßberger 44 Wird präsentiert von der ENSO Energie Sachsen Ost AG Johannes Brahms, Foto von C. Brasch, Berlin aus dem Jahr 1889. Der Komponist stand vor seinem Spätwerk. Die Vier Klavier- stücke op. 119 vollendete er im Sommer 1893 mit 60 Jahren. Bei einem Werk des 19. Jahrhunderts ist das ein- facher als bei früheren. In der Klassik oder bei Bach gibt es so gut wie keine Freiräume. Die Musik jener Zeit unterliegt bestimmten Artikulationsvorschriften, wie es auch dynamische Vorschriften gibt, die sich aus der Aufführungspraxis ergeben, selbst wenn sie nicht ausdrücklich notiert sind. Dem Interpreten bleibt nur, den Gestus des Stückes besonders klar heraus- zustellen, aber er kann nicht durch eine überbe- zogene Subjektivität dem Stück den Stempel des Überzeugenden aufdrücken. In der Romantik liegen die Dinge einfacher: Die Individualität des Interpre- ten ist vom Komponisten schon mit eingeplant; man hat mehr Freiräume, allein weil schon die Form nicht mehr so streng ist.“ „Rückspiegelung eines Älteren für Ältere“ Der zweite Teil dieses Konzertes führt uns in die Epoche der Romantik. Robert Schumann komponierte den Klavier-Zyklus der „Kinderszenen“ 1838 in Leip- zig in der Zeit, in der Clara Wieck und er vergeblich
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