27. Festival Sandstein und Musik

Walde“ und zu Opernchören, etwa aus „Der Frei- schütz“ – wie dieses Programm belegt. Zu den Klassikern zählt Robert Schumann. Ihn hier beispielhaft herauszugreifen hat mit der Tatsache zu tun, dass das Ehepaar Schumann ab 1844 einige Jahre in Dresden und in der Region lebte, bevor Schumann, dem Ruf als neuer Städtischer Musik- direktor in Düsseldorf folgend, Dresden 1850 mit seiner inzwischen sechsköpfigen Familie verließ. Zuvor waren die Schumanns vor den revolutionären Unruhen aus der Stadt geflüchtet, fanden Quartier in Kreischa und Maxen. Das beschauliche Dorf hoch über dem Elbtal war für Robert Schumann „einer der lieblichsten Orte um Dresden“. In dieser Stadt setzte sich Schumann, nach produk- tiven Jahren als Klavier- und Liedkomponist, erstmals intensiver und systematisch mit Chormusik ausein- ander. Auslöser war 1847 die Übernahme eines Chors von Ferdinand Hiller. Das in diesem Konzert erklin- gende „Zur hohen Jagd“ ist Teil der wenig bekann- ten „Fünf Gesänge aus Heinrich Laubes Jagdbrevier für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung von vier Hörnern ad libitum“ op. 137, kurz „Jagdlieder“. Laube dichtete die Verse 1841, die aufgrund der kolportierten nationalistischen Gesinnung umstritten der historischen Bewertung bedürfen. In Chören, die diese Sätze heute singen, werden sie zwangsläufig „Wie lieblich schallt durch Busch und Wald des Waldhorns süßer Klang! Der Widerhall im Eichental hallt nach so lang, so lang!“ Es ist Lyrik eines römisch-katholischen Priesters, die diesem Programm seine Überschrift leiht. Christoph von Schmid (1768-1854), von dem auch das Lied „Ihr Kinderlein, kommet“ stammt, war als Schrift- steller so produktiv wie vielseitig. Bekannt gewor- den sind die 1817 gedichteten Verse „Wie lieblich schallt durch Busch und Wald“ vor allem in der Ver- tonung durch Friedrich Silcher. Der beliebte Lied- komponist traf deren Stimmung sehr genau und verhalf dem Gedicht zu anhaltender Popularität. Die Musik wiegt geradezu feierlich im Dreiertakt. Sie führt menschliche Stimme und Instrument zusam- men, ist dreiklangsbetont und greift so eine Grund- eigenschaft der Jagdhörner auf, die, ohne Ventile, nur Naturtöne hervorbringen können. Das ist kein Mangel, sondern vielmehr geeignet, das Ursprüng- liche, das Horn als Signalgeber zu betonen. Silchers Satz assoziiert zugleich die räumliche Dimension des Geschehens, indem er von Dialogen und Echoef- fekten Gebrauch macht. Die Beliebtheit von Liedern wie diesem ist unge- brochen in einer Zeit, die immer entwurzelter, immer schnelllebiger zu werden scheint. „Wenn unser Chor, oder wenn generell Bergsteigerchöre auftreten in einer musikalisch so reichen und bunten Stadt wie Dresden, und unsere Konzerte im Advent sind sogar drei Mal in Folge ausverkauft, dann muss etwas dran sein“, sagt Ulrich Schlögel. Weit mehr als in ländlichen Regionen sehen sich Chöre in Dresden in einem friedlichen Wettstreit um Publikum. Berg- steigerchöre stehen dabei gut da. „Ein Bergsteiger- chor hat einen ganz besonderen Klang und die Leute, die zu uns kommen, wollen genau das erle- ben“, ist sich Ulrich Schlögel sicher nach über drei Jahrzehnten Chorleitererfahrung im Metier. Gesänge aus dem Kreischaer Exil Und dieser Klang ist keinesfalls eintönig, wie die Beschränkung auf Männerstimmen vermuten lassen könnte. „Natur, Bergsteigen, Gipfelerlebnisse – da hinein soll alles Herzblut gelegt werden“, so der Chorleiter, doch widerspricht dem nicht, klassischen Männerchorgesang zu pflegen. „Diesen Spagat müs- sen wir schaffen“, sagt Ulrich Schlögel, „müssen Konzentration und Leistung von 80 Mann beim Auf- tritt auf den Punkt bringen“. So reicht das Repertoire vom schlichten Berglied bis zu Anton Bruckners „Trösterin Musik“, Franz Schuberts „Nachtgesang im Mit der Naturkraft des Dreiklangs Von Karsten Blüthgen 40 diskutiert. Es ist Pflege musikalischen Erbes mit einordnender Distanz. Weniger verfänglich sind die enthaltenen reinen Schilderungen des Jagdge- schehens mit Abläufen, Ritualen und der Nähe zu Wald und Natur. Dass der literarisch höchst an- spruchsvolle und sensible Schumann die eher ro- busten und politisch nicht korrekten Texte für sein Opus 137 auserwählt hat, könnte den äußeren Bedingungen jener Zeit geschuldet sein. Die Gesänge entstanden 1849 im „Kreischaer Exil“, gedacht für den Männerchor „Dresdner Liedertafel“, den Schu- mann für kurze Zeit leitete. Am Ende jenes Jahres, einem seiner produktivsten, notierte der Komponist: „Auf mich hat die ganze Zeit anregend im höchsten Grade gewirkt. Nie war ich tätiger, nie war ich glück- licher in der Kunst. Alles affiziert, was in der Welt vorgeht, Politik, Literatur, Menschen; über alles denke ich in meiner Weise nach, was sich denn durch die Musik Luft machen, einen Ausweg suchen will.“ Bizarr-romantisch ist die Landschaft des Elbsand- steingebirges, die große Maler wie Caspar David Friedrich einzufangen versucht haben, etwa mit Gipfelmotiven, natürlichen Stimmungen. Der be- rühmte „Wanderer über dem Nebelmeer“ etwa steht auf einem Felsblock an der Kaiserkrone, kehrt dem Betrachter den Rücken zu und zieht ihn gleichsam ins Bild. Auch wohl geordnete Chorsätze können einen Affensteine. Ausblick am Oberen Affensteinweg. Direkt darunter erhebt sich ein gewaltiger Gipfel, der Rokokoturm, ein beliebtes Kletterziel mit schwierigen Aufstiegen. Aus der Ferne grüßen die Schrammsteine mit dem Falkenstein.

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