27. Festival Sandstein und Musik
ich mich zurück beamen kann bis zu meinem dritten Lebensjahr. Dieses Zurückschauen, mittlerweile für ein viertes Buch, hat etwas Heilendes. Ihre Erinnerungen sind sehr präsent. Drängte Sie es, sie aufzuschreiben? Im Erinnern bin ich ganz gut, wie ich erkennen durfte. Nachdem mich viele Verlage danach fragten, zögerte ich zunächst. Jeder schreibt doch jetzt Erinnerungen!, dachte ich. Ich bin kein Romancier. Doch dann kamen diese Geschichten, in denen ich meinen persönlichen Blick auf die Dinge richten kann. Sie Revue passieren zu lassen ist für mich eine Freude. Ich verspüre eine geradezu therapeutische Lust. In Mainz stehe ich mit Helmut Markwort auf der Bühne. Ich als Guten- berg, er als Johannes Fust, Gutenbergs Verleger und Geldgeber. Fust verlangt immer Fakten, Fakten, Fakten. Als Gunther Emmerlich schreibe ich anders, denke dabei nicht an die Leser. Fakt ist, trotzdem sehr viele Bücher verkauft zu haben. Meine Geschich- ten scheinen also nachvollziehbar und anzukommen. Gerade war ich zu Besuch in meiner ostthüringi- schen Heimat. Die Leute dort bescheinigten mir, in der Erinnerung meine Mutter ziemlich genau getrof- fen zu haben. Wie war es mit ihrer Mutter, die 1955 verstarb? Sie war, seit ich denken kann, auf der vergeblichen Suche nach ihrem im Krieg verschollenen Mann. Sie Drei Jahre sind ins Land gegangen seit dem Interview mit Gunther Emmerlich für Sandstein und Musik. Auf dem Küchenherd seines Heims auf dem Weißen Hirsch wartete damals geputzter Rosenkohl. Inzwischen hat Emmerlich das bekannteste Gericht der Pfälzer Küche probiert. Es lag nahe, denn in Mainz hat er in einem Musical die Rolle des Buchdruckpioniers Johannes Gutenberg übernommen. Während wir unser Interview auf- frischen, blickt Emmerlich frohgemut einer beson- deren, wenngleich etwas rustikal klingenden Aus- zeichnung entgegen, dem „Saumagen-Orden“. Ab dem 12. Februar wird der Dresdner einer illustren Gesellschaft angehören. Altkanzler Helmut Kohl, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Entertainer Frank Elstner zählen zu den Namen, die vor ihm diesen Pfälzer Orden erhalten haben. Ebenso die amtierende Ministerpräsidentin von Rhein- land-Pfalz, Malu Dreyer, die nun die Laudatio hält. „Ich werde sie notfalls korrigieren“, kalauert Gunther Emmerlich in seiner unverwechselbaren Art. Und freut sich zudem sehr auf die Rückkehr zum Festival Sandstein und Musik in diesem Jahr. Herr Emmerlich, am 8. Januar feierte in Mainz „Johannes Gutenberg. Das Musical“ mit Ihnen in der Hauptrolle seine Uraufführung. Sind Sie zufrieden? Sehr. Wir sind bisher immer ausverkauft. Immer gibt es stehende Ovationen – darüber bin ich natürlich froh und deswegen spielen wir das Stück weiter. Die Geschichte um den Erfinder des Buchdrucks ist unterhaltsam angelegt. Ihrem Prinzip der an- spruchsvollen Unterhaltung folgt auch das hiesige Programm „Die Welt und ich – 70 Jahre Emmerlich“, mit dem Sie zu unserem Festival zurückkehren. Im Titel müsste es inzwischen „74 Jahre Emmerlich“ heißen … Das stimmt, ich bin weiter Teil dieser Welt und wei- terhin sehr gern Dauergast bei Sandstein und Musik, nachdem ich schon mit den unterschiedlichsten Geschichten dabei war. Mit Ludwig Güttler, als Interpret der „Winterreise“, mit Günter „Baby“ Som- mer, mit Lesungen. Zuletzt 2017 mit dem Dresden Swing Quartett. Immer ist es besonders. So freue ich mich auf die Rückkehr nach Bad Schandau. Schwelgen Sie gern in Erinnerungen? Man schleppt sie ja ohnehin mit. Ereignisse haben stattgefunden, man kann sie nicht streichen. Wenn man wie ich Freude daran hat, sich zu fokussieren auf das, was einmal war, Zeiten wieder auferstehen zu lassen, alte Gerüche zu riechen und Geräusche zu hören, dann entstehen solche Programme. Und Bücher. Bei meinem ersten habe ich festgestellt, dass Die Pointen liegen auf der Straße, man muss sich nur bücken Gunther Emmerlich im Interview 32 ist in Ungewissheit verstorben. Ich mutmaße, viele Krankheiten sind seelischen Ursprungs. Ich rieche diese Zeit noch, die Gewürzgurken, die Kohlrüben- suppe, Verlorene Eier und Senfsoße. Auch war meine Mutter eine blendende Klavierspielerin. Sie öffnete mir ein Tor zur Musik. Sind gut 70 Jahre nicht eine Menge Stoff? Zu viel für einen Abend? Es braucht den Mut zur Lücke. Mich haben weit mehr musikalische Eindrücke geprägt, als ich in die- sem Programm wiedergeben kann. Und auch die Geschichten und Ereignisse werden naturgemäß nicht weniger. Inzwischen ist meine acht Jahre ältere Schwester verstorben. Sie hatte nie aufgehört, mich zu erziehen, ich blieb immer der kleine Bruder und den traf ihr Tod hart. Die Adresse meines elter- lichen Hauses gibt es nun für mich nicht mehr. Das ist sehr einschneidend. Aber es ist der Lauf der Dinge. Mein Buch „Spätlese – Eine Rücksicht ohne Vorsicht“ erzählt davon. Welche Rolle spielt die Michael-Fuchs-Band beim Setzen musikalischer Schwerpunkte? Michael Fuchs war von Anbeginn dabei. Er ist der Kapellmeister vom Theaterkahn und wenn man dort etwas machen möchte, bekommt man ihn – erfreu- licherweise! – gleich mit geliefert. Die Michael- Fuchs-Band besteht aus exzellenten Musikern. Da Der Begriff der Pointe kommt aus dem Französischen (Spitze) und meint das, worauf ein Witz naturgemäß zuzusteuern hat: einen Schluss mit Pfiff, den man allenfalls ahnt und der dann doch überrascht. Das Elbsandsteingebirge ist auf seine Art reich an Zuspit- zungen – nicht überraschend, doch magisch anziehend.
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