27. Festival Sandstein und Musik

Es wird gesagt, dass Nachahmung die aufrichtigste Form der Schmeichelei sei. Dies ist vielleicht der Grund, warum in der Musik des 18. Jahrhunderts so prävalent und schamlos „geborgt“ wurde. Die moderne Idee von Plagiat oder Aneignung ist aber nicht immer eine zutreffende Beschreibung für diese Praxis. Kopiert wurde aus Studienzwecken oder um Musik anderer Komponis- ten einem breiteren Kreis an Musikern zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus transportierten die Betref- fenden so die Musik in einen weiteren Kreis an Zuhörerschaft und stellten somit sicher, absichtlich oder nicht, dass diese Werke nicht in Vergessenheit gerieten. Ein Schicksal, vor dem auch die begabtes- ten und erfolgreichsten Musiker nicht sicher waren. Musikalisches Material wurde auch oft in einer be- arbeiteten Form als ein eigenes Werk ausgegeben – eine weitverbreitete Praxis unter den großen Meis- tern. Mal wurde dabei der Komponist des Ursprungs- materials gewürdigt und mal nicht. Praxis der Verehrung und Wertschätzung Ab wann aber zählt eine Bearbeitung als völlig neues Werk? Händel, zum Beispiel, borgte so umfangreich bei anderen, dass er manchen mehr als „meister- hafter Arrangeur“ gilt denn als Komponist. Mozarts Sinfonie Nr. 37 sorgte für Unruhe im frühen 20. Jahr- hundert, als entdeckt wurde, dass es sich um die Sinfonie Nr. 25 von Michael Haydn handelt, die Mozart lediglich mit einer selbstkomponierten Ein- führung versehen hatte. In den meisten dieser Fälle sind Forscher im Zwiespalt: Wird ein Auge zuge- drückt weil diese Praxis so weit verbreitet war, oder ist es unverzeihlich, dass er es nicht für nötig emp- fand, das Schaffen seines Kollegen anzuerkennen? Auf welche Seite man sich auch schlagen mag, eines ist klar: diese Werke zeugen eindeutig von der Verehrung eines Komponisten für den anderen. Dieses Programm beinhaltet andere Beispiele von Mozarts Bearbeitungen von Geliehenem. Dafür bediente er sich bei niemand anderem als bei Bach. Eine wichtige Figur, verantwortlich dafür, dass Mozart die Werke Bachs überhaupt näher kennen- lernen durfte, war der Diplomat, Bibliothekar und Musikenthusiast Gottfried van Swieten. Van Swieten verbrachte mehrere Aufenthalte in euro- päischen Hauptstädten, bevor er 1777 wieder nach Wien zog. Komponisten wie Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn, Mozart und Beethoven profi- tierten von ihremMäzen van Swieten nicht nur finan- ziell, sondern durch das Kennenlernen von anderen Komponisten und Stilen, denen van Swieten im Aus- land begegnet war. In Wien wurde Mozart regel- mäßig eingeladen von dem älteren Musikbegeis- terten, um seine Sammlung Bachischer Werke aus seiner Berliner Zeit einzusehen und zu spielen. Mozart war sofort entzückt und schrieb am 10. April 1782: „Ich gehe alle Sontage um 12 uhr zum Baron van Suiten und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. Ich mach mir eben eine Collection von den Bachischen fugen. So wohl Sebastian als Emanuel und Friedeman Bach. [...] Sie werden wohl schon wissen daß der Engländer Bach gestorben ist? Schade für die Musikalische Welt!“ Zehn Tage später drückt er den fortwährenden Genuss der Bach-Fugen im Hause Mozarts folgender- maßen aus: „Die Ursache daß diese Fuge auf die Welt gekomen ist wirklich Meine liebe Konstanze. Baron van Suiten, zu dem ich alle Sontage gehe, hat mir alle Werke des Händls und Sebastian Bach. Nachdem ich sie ihm durchgespiellt nach hause gegeben. Als die Konstanze die Fugen hörte, ward sie ganz verliebt darein; sie will nichts als Fugen hören, besonders aber in diesem Fach nichts als Händl und Bach. Mozarts Opus mit Köchelverzeichnis-Nummer 404a ist eine Sammlung von Einleitungen und Fugen, Werke von Johann Sebastian Bach, Wilhelm Friede- mann Bach und (wahrscheinlich) Mozart selbst, bear- beitet für Streichtrio. Es sind insgesamt sechs Satz- paare, wovon das vierte im Konzert erklingen wird. Entliehenes Material in ein eigenes Werk zu inte- grieren und fremde Werke zu transkribieren sind „Gute Komponisten leihen sich Ideen aus, große Komponisten stehlen sie.“ Von Holly Brown 30 Wolfgang Amadeus Mozart. Das Ölgemälde von Barbara Krafft ist das bekannteste Werk der österreichischen Malerin (1764-1825) und eines der am häufigsten zitierten Porträts von Mozart. 28 Jahre nach dessen Tod entstand es, 1819, im Auftrag Joseph Sonnleithners nach Angaben von Mozarts Schwester Maria Anna (Nannerl).

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