27. Festival Sandstein und Musik
„Verehren möchte ich ihn manchmal wie einen Heiligen, wenn ich so von seinen Werken zu seinem Bildnisse komme; wie er da in sei- nem Schlafrocke und seiner Mütze, mit seinem vom Alter ehrwürdigen Kopfe, aber immer noch thätigen Geiste, die Partitur in der Hand hält …“ Dies schreibt Ernst Ludwig Gerber im Standardwerk „Historisch-Biografisches Lexicon der Tonkünstler“, dessen 1. Teil 1790 in Leipzig erschien, fünf Jahre nach dem Tod jenes Mannes, der hier in Nacht- garderobe beschrieben wird: Gottfried August Homilius. 2014 würdigte das Festival Sandstein und Musik den Komponisten anlässlich seines 200. Ge- burtstags mit einem Sonderkonzert in Rosenthal. Auch davor und danach stand und steht der Name Homilius immer wieder auf den Programmen, nicht zuletzt in jenen für Trompete, Corno da caccia und Orgel mit Ludwig Güttler. Das leuchtet ein. Homilius zählt zu den „Schätzen“ der Region. Eine Sandsteintafel erinnert an den besonderen „Gast“ des Pfarrhauses in Rosenthal. Nach einer Kirchenbucheintragung der Gemeinde wurde Gott- fried August Homilius hier als Pfarrerssohn geboren und getauft. Er besuchte die Dresdner Annenschule, übernahm bald erste Organistendienste, blieb musi- kalisch aktiv, als er 1735 ein Jura-Studium in Leipzig begann. Zeitweilig vertrat er dort den Nikolai-Orga- nisten Johann Schneider und soll dabei, wie über- liefert wird, an „völliger Music“ beteiligt gewesen sein. Aufführungen von Kantaten und anderen Vokal- werken unter Johann Sebastian Bachs Leitung könnten gemeint sein, wie Uwe Wolf vermutet. Laut Johann Adam Hiller, der von Bach ausgebildet wurde, war Homilius selbst ein Schüler Bachs. Ein dem großen Lehrmeister durchaus würdiger, was schon die Kompositionen der Leipziger Zeit erken- nen lassen. 1742 wurde Homilius als Organist an die Dresdner Frauenkirche bestellt. Dort erwarb er sich, so Hiller, den „Ruhm eines großen, selbst des größten Orga- nisten seiner Zeit“. Als der Rat der Stadt Dresden Homilius 1755 zum Kreuzkantor und Musikdirektor der drei lutherischen Hauptkirchen berief, verlieh dies dem Komponisten einen weiteren Schaffensschub. Bis kurz vor seinem Lebensende arbeitete Homilius höchst produktiv, komponierte etwa 200 Kantaten und 60 Motetten, bedeutende Oratorien und Pas- sionen sowie zahlreiche Choralvorspiele. „Seine Werke versah er mit jenem Grad von liedhafter Volks- tümlichkeit, empfindsamen Ausdrucks und hoher Kunstfertigkeit, der ihm bei seinen Zeitgenossen Ach- tung, Anerkennung und Erfolg einbrachten“ und ihn in seiner Zeit „zu einem Hauptrepräsentanten deut- scher evangelischer Kirchenmusik“ machte, resü- miert der Musikwissenschaftler Hans John. Ludwig Güttler, der mit ebensolcher Leidenschaft dirigiert wie Choralvorspiele auf Trompete und Corno da caccia bläst, ist nicht minder eingenommen vom Werk dieses aus der Region stammenden, weit über sie hinaus strahlenden Komponisten: „Seine Empfindsamkeit, seine natürliche und zu- gleich kunstvolle Art zu schreiben faszinieren mich. Forscher, Musiker und musikinteressierte Öffentlich- keit haben sich selbst beschenkt, indem sie Homilius mehr und mehr erschlossen und hörbar gemacht haben.“ Das Choralvorspiel, ursprünglich gedacht, um den Gesang der Gemeinde im Gottesdienst vorzubreiten oder zu alternieren, dann zu einem Objekt kompo- sitorischer Verwirklichung geworden, prägt den Bin- nenteil dieses Programms. Im Falle von Homilius lässt sich dabei aus einem reichen Fundus schöpfen. Etwa 50 Choralvorspiele für Orgel und etwa 30 für Orgel und obligates Melodieinstrument sind überliefert. Zu letzterer Gruppe schreibt Uwe Wolf: „Wie es scheint, hat sich kein anderer Komponist so intensiv mit dieser Art des Choralvorspiels auseinandergesetzt wie Homilius.“ Zu den daraus erwachsenden Vortei- len erklärt der Homilius-Forscher, die Abgabe des Cantus firmus, also der Melodie, an ein zweites Instrument erweitert „die Möglichkeiten des Kompo- nisten ungemein; er ist nun nicht mehr mit einem Manual oder Pedal an die Choralmelodie gebunden.“ Homilius entwarf auf diese Weise ganz unterschied- liche, stets anspruchsvolle Sätze für die Orgel, die, so Uwe Wolf, „zwar noch in barocker Tradition stehen, im Einzelnen jedoch stark empfindsam durch- drungen sind“. Damit repräsentieren sie jene Stil- epoche, in der Homilius und der gleichaltrige Bach- Sohn Carl Philipp Emanuel wirkten. Das Programm zitiert aus Homilius’ Werk das stille, beruhigte Choralvorspiel „Oh, Gott, du frommer Gott“ für Corno da caccia und Orgel HoWV X.20 und den mehr be- wegten Satz über „Komm, Heiliger Geist“ HoWV X.1, wo ebenfalls das Corno da caccia den Melodiepart übernimmt. Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ BWV 647 zählt zu den „Sechs Chorälen“, die nach dem Herausgeber des Erstdrucks 1748/49 „Schüblersche Choräle“ genannt werden. Beispielhaft wird daran Bachs Arbeitsweise deutlich, kompositorisches Material mehrfach zu verwenden. Bei dieser Choralsammlung handelt es sich meist um Bearbeitungen von Kantatensätzen aus Die größten Organisten ihrer Zeit Von Karsten Blüthgen 24 Johann Friedrich Franz Bruder (1782-1838) nach J. G. Jentzsch: „Krippen mit den Schrammsteinen“, Kupferstich, koloriert, um 1820. Der Blick geht vom Krippener Floßmeisterhaus über die Elbe gegen die Postelwitzer Steinbrüche. Darüber die vorderen Schramm- steine, auf der Elbe typischen Flöße und am linken Bildrand die Sieben-Brüder-Häuser von Postelwitz.
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