27. Festival Sandstein und Musik
Programm Johann Sebastian Bach (1685-1750) Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 Johann Gottfried Walther (1684-1748) Concerto in B del Signor Torelli 1. Allegro 2. Adagio Johann Sebastian Bach Concerto in A BWV 593 (nach Antonio Vivaldi) 1. Allegro 2. Adagio 3. Allegro Johann Sebastian Bach Concerto in C BWV 594 (nach Antonio Vivaldi) 1. (ohne Bezeichnung) 2. Recitativo. Adagio 3. Allegro Johann Gottfried Walther Concerto in H del Signor Vivaldi Allegro – Adagio – Allegro Johann Sebastian Bach Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542 Ausführender Johannes Krahl (Silbermann-Orgel), Silbermann-Preisträger 2017 Konzertdauer ca. 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause 4. Konzert Reinhardtsgrimma, Ev. Kirche Sonntag 7. April 2019 17:00 Uhr Reinhardtsgrimma. Für die romanische Kirche in Reinhardtsgrimma war um 1200 Grundsteinlegung. Reste sind heute noch erkennbar, in einer kleinen Seitenkapelle links neben dem Altar. Durch Umbau- ten und Erweiterungen entstand bis etwa 1550 der Bau in der heutigen Größe. 1601 kamen der Altar mit der Darstellung des Abendmahles und zu seinen bei- den Seiten Apostel Petrus und Paulus hinzu. Die Kanzel stammt aus dem Jahre 1672. Die Fenster, die sich hinter demAltar befinden, wurden 1904 von einer Witwe aus dem Dorf gestiftet, deren Tochter sehr frühzeitig verstorben war. 1742 erfolgte die barocke Ausgestaltung des Kirchenschiffes. Das Wappen an der Herrschaftsloge stammt von den von 1643 bis 1763 residierenden Schlossherren der Familie von Tettau. Die Orgel der Kirche wurde von Oktober bis Dezember 1730 von Gottfried Silbermann für 800 Taler erbaut. Die festliche Einweihung des Instruments erfolgte am 6. Januar 1731. Es verfügt über zwei Manuale und Pedal sowie 20 Register. Die Kirche wurde 1997 völlig neu restauriert. 19 Antonio Vivaldi oder Giuseppe Torelli. Vermutlich hat Walther seinen bekannteren Vetter zu dieser Art der instrumentalen, praxisorientierten Adaption animiert. So stehen auf dem Programm des heutigen Abends neben Walthers Concerti italienischen Ursprungs ebenfalls zwei Vivaldi-Konzerte in der Orgelbear- beitung Bachs, die er vermutlich in Weimar ange- fertigt hat. Genaueres lässt sich nicht sagen, denn für all diese Konzert-Transkriptionen gilt, dass wir ihre Entstehungszeit nicht genau kennen, sie allen- falls bei Bachs Beiträgen und auch nur grob dessen Weimarer Jahren zurechnen können. Diese neue Instrumentation mag auf den ersten Blick stark reduziert erscheinen. Was zuvor ein ganzes Ensemble von Musikern beschäftigte, hat nun ein einziger Organist zu leisten. Verblüffender- weise aber haftet den Transkriptionen nichts Defi- zitäres an. Diese Konzerte klingen auf der Orgel so vollkommen, als seien sie für das Instrument ursprünglich geschrieben worden – wobei zu be- merken ist, dass Bach mit den italienischen Vorlagen doch etwas freizügiger, fantasievoller umgegangen ist als sein Kollege Walther. Inspiration nicht nur aus Italien Neben der Möglichkeit, solche ansprechenden Kon- zerte auf der Orgel zu spielen, hatten diese Umarbei- tungen sowohl für Bach als auch für Walther den Sinn der kreativen Aneignung, der unmittelbaren Beschäftigung mit der Form des italienischen Instru- mentalkonzertes, die Maßstäbe gesetzt hatte – so- zusagen als eine Art Kompositionslehre am kon- kreten Beispiel. Für Walther schien es besonders wichtig, sich mit „guter Componisten Arbeit in Parti- turen“ zu umgeben, da er kaum Kompositionsunter- richt erhalten hatte. Und die Studien, welche Bach diesbezüglich machte, legten den Grundstein für seine eigenen, unnachahmlichen Konzerte. Den Rahmen dieses Abends mit dem jungen Silber- mann-Preisträger Johannes Krahl bilden zwei her- ausragende Orgelwerke Bachs. Das Schlussstück, Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542, könnte noch am ehesten in Weimar entstanden sein, vielleicht zwischen 1715 und 1717. Möglich ist allerdings auch, dass Bach es für seine Bewerbung um die Organis- tenstelle an St. Jakobi in Hamburg im Jahre 1720 komponiert hatte. Ein Beleg dafür ist das Fugen- thema, welches Parallelen zum holländischen Lied „Ick bin gegroet“ aufweist. Der während des genann- ten Berufungsverfahrens an dieser Kirche amtierende niederländische Organist Jan Adam Reincken war beim Probespiel anwesend. Bemerkenswert ist, dass innerhalb des Werkpaares der Fantasie und Fuge letztere einen großen, stabilisierenden Faktor aus- macht. Die Fantasie ist dagegen relativ frei gehalten, mit vielen chromatischen Wendungen durchsetzt, dabei harmonisch und satztechnisch äußerst an- spruchsvoll. Orgelkunst in Vollendung Unser Konzert beginnt mit Bachs Präludium und Fuge e-Moll BWV 548. Vermutlich entstand dieses Werkpaar erst in Leipzig und wäre dann dem spä- teren Schaffen zuzurechnen. Darauf deutet nicht zuletzt die Souveränität in formaler Hinsicht: So ist das Präludium beinahe schon konzertierend angelegt. Drei verschiedene musikalische Ideen fließen ein, die sich gegenseitig ergänzen und im Sinne großer Geschlossenheit kombiniert sind. Die Fuge hat einen ungewöhnlichen Aufbau, steigert sich zunächst auf der Grundlage eines chromatischen Themas, wird dann von virtuosen Zwischenspielen durchbrochen, um schließlich nach weiterer Verarbeitung eine Reprise des Anfangs zu präsentieren. Die sonst übliche Steigerungsform einer Fuge wird so in eine dreiteilige Geschlossenheit umgewandelt. Abweichung vom Üblichen – dies kennzeichnet ge- nerell das Schaffen Bachs. Dessen erster Biograf Johann Nikolaus Forkel formulierte es 1802 so: „sein großes Genie, welches alles umfaßte, alles in sich vereinigte, was zur Vollendung einer der unerschöpf- lichsten Künste erforderlich ist, brachte auch die Orgelkunst so zur Vollendung, wie sie vor ihm nie war und nach ihm schwerlich seyn wird.“
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