27. Festival Sandstein und Musik
Terror in der eigenen Familie erfahren und befand sich als Schostakowitsch-Schüler wie dieser im Visier der sowjetischen Funktionäre. 1947/48 ver- suchten diese ein zweites Mal, gegen missliebige Töne einen sozialistischen Realismus zu etablieren, der, „national in der Form, sozialistisch im Inhalt“, eine utopische sozialistische Gesellschaft besingen sollte. In diesem Kontext entstanden 1947 Weinbergs dritte und vierte Sonaten für Violine und Klavier. Die Nähe zu Schostakowitsch wird vor allem im letzten Satz der dritten Sonate deutlich – Zeichen seiner Verbundenheit mit dem Freund? Weinberg, der neben mehreren Dutzend Symphonien und Film- musiken Unterhaltungs- und Zirkusmusik und einige Kantaten durchaus im Sinne der Kulturideologie geschrieben hatte, mag – auch hier Schostakowitsch ähnlich – in der intimeren Kammermusik eine Mög- lichkeit gefunden haben, äußeren Spannungen zu begegnen. Musikalisch bediente er sich einer brei- ten Palette an Ausdruckmöglichkeiten, die jüdische und slawische Elemente ebenso integrierte wie ver- schiedene Stile einbezog, ohne die eigene Farbe zu vergessen. Dass die dritte Sonate op. 37 so stark an Schostakowitsch erinnert, mag deshalb viel weni- ger Nachahmung als musikalische Reverenz bedeu- ten – und die Kammermusik scheint eben der ge- eignete Ort für einen solchen Nähebeweis. „Von heute an will ich einen neuen Weg einschlagen“ Aber nicht nur intim ist die Gattung der Duosonate, sie ist auch die nächstgelegene Möglichkeit für einen Pianisten, musikalisch in ein Gespräch zu treten. Brahms musizierte lange vom Klavier aus, Weinbergs Anfänge waren pianistisch, und auch Ludwig van Beethoven begann sein musikalisches Leben am Klavier. Lange schwankte er zwischen einer Karriere als Virtuose und der Möglichkeit, sich ganz auf das Komponieren zu konzentrieren. „[Er] wird allgemein wegen seiner besonderen Geschwindig- keit und wegen den außerordentlichen Schwierig- keiten bewundert, welche er mit so vieler Leichtig- keit exequiert“, wurde 1796 über ihn berichtet. Erst die Erkenntnis, allmählich das Gehör zu verlieren, entschied über den Karriereweg. Und, bis er mit zunehmender Ertaubung das Klavier ganz aufge- ben musste, blieb es ihm weiter Ausgangspunkt seiner Kompositionen. Bei deren Vermarktung ging Beethoven planvoll vor und versuchte, mit Referenz- werken und Widmungen Aufmerksamkeit zu wecken. Die Sonate op. 47 beispielsweise, dem Geiger Rodolphe Kreutzer zugeeignet, von dem Beethoven glaubte, er könne ihm helfen, in Paris Fuß zu fassen, ist voll aufwändiger technischer Raffinessen – mit dem Ergebnis allerdings, dass Kreutzer sie nie spielte Vorprogramm „Auf Klappen und Tasten“ Karin Holzschuster (20. Jahrhundert) Aus: „Sérénade classique“ Die Sonne bricht durch Frühlingstänzchen Charles Gounod (1818-1893) Trauermarsch einer Marionette Karin Holzschuster Aus: „So Sweet Suite“ Vivo Calypso! Johann Baptist (Jan Křtitel) Va ň hal (1739-1813) Aus: Konzert für zwei Fagotte und Orchester 3. Allegro Ausführende Ole Olofson Gorogranz (Fagottino) Maria-Lara Janak (Kinderfagott) Jan Reichelt (Fagott) Niculin Schelzel (Fagott) Annalena Bartsch (Klavier) (Gounod) Leon Zengh (Klavier) (Vaňhal) Jolanthe Buschbeck (Klavier) (Holzschuster) Schüler der Musikschule Sächsische Schweiz Programm Johannes Brahms (1833-1897) Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 d-Moll op. 108 1. Allegro 2. Adagio 3. Un poco presto e con sentimento 4. Presto agitato Mieczysław Weinberg (1919-1996) Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 op. 37 1. Allegro moderato 2. Andantino 3. Allegro cantabile Pause Ludwig van Beethoven (1770-1827) Sonate für Klavier und Violine Nr. 9 A-Dur op. 47 („Kreutzer-Sonate“) 1. Adagio sostenuto – Presto 2. Andante con variazioni 3. Finale. Presto Ausführende Linus Roth (Violine) Florian Uhlig (Klavier) Konzertdauer ca. 2 Stunden inkl. Vorprogramm und Pause 3. Konzert Dürrröhrsdorf, Piano-Salon, Festsaal Samstag 6. April 2019 17:00 Uhr Dürrröhrsdorf. 1989 gründet Bert Kirsten das „Piano- haus Kirsten“ in Dürrröhrsdorf. Zunächst besteht das Unternehmen aus einer Werkstatt, die im elter- lichen Gut beheimatet ist. In dieser werden Flügel und Klaviere restauriert und generalüberholt. In unmittel- barer Nähe zur Werkstatt des DRESDNER PIANO SALON in Dürrröhrsdorf befindet sich unser Fest- saal im Gründerzeit-Stil, der in liebevoller Kleinarbeit und mit großartiger Unterstützung der Künstlerin Leo- nore Thielemann restauriert wurde. Er bietet ein stil- volles Ambiente für Ausstellungen, Konzerte sowie andere Festivitäten und steht für Veranstaltungen auf Anfrage zur Verfügung. 17 und über das „beleidigend unverständlich[e]“ Werk schimpfte. Auch sonst ist „die Sonate […] aus einem affektvollen Presto [,] einem originellen, schönen Andante, mit vier höchst wunderlichen Variationen, und […] einem Presto, dem bizarrsten Satze von allen“ zwar „Beweis […] seiner lebendigen, oft glühenden Phantasie, und seiner ausgebreiteten Kenntnis“, daneben aber doch zu kapriziös, wie die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung 1805 rezensiert. Das Werk gehört zu neun Violinsonaten, die Beet- hoven zwischen 1797 und 1803 komponierte, als er eben im Begriff war, seinen Platz in Wien zu finden. „Meine Kompositionen tragen mir viel ein, und ich kann sagen, daß ich mehr Bestellungen habe, als fast möglich ist, daß ich befriedigen kann. Auch habe ich auf jede Sache sechs, sieben Verleger“, berichtete er seinem Freund Wegeler. Die Kreutzer- Sonate spiegelt diese vielversprechende Situation. „Von heute an will ich einen neuen Weg einschla- gen“ gestand Beethoven – und neue Wege betrat er auch mit der Sonate, „in uno stilo molto concer- tante, quasi come d’un concerto“. Konzertant meint hier nicht die virtuose Violine, wie auch Kreutzer lehrte, sondern einen gleichberechtigten Wettstreit beider Instrumentalpartner. In George Bridgetower, einem englischen Geiger auf Tournee, fand Beethoven den geeigneten Partner, um sein Wiener Publikum in Staunen zu versetzen und in wenigen Tagen entstand der anspruchsvolle „konzer- tierende“ erste Satz, ein Variationssatz und der aus einer früheren Sonate weiterverwendete virtuose dritte Satz. Auf hohem Niveau konnte Beethoven hier brillieren und von dieser, wiederum intimen, Basis aus, wenn auch weder den Kritiker in Leipzig noch Kreutzer in Paris, so doch die Wiener Gesellschaft von seiner Genialität überzeugen.
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