27. Festival Sandstein und Musik

Gerade mit den ersten Schritten in die musikalische Öffentlichkeit getreten, wur- de Johannes Brahms 1853 von Robert Schumann mit einem überschwänglichen Artikel als „Berufener […] einer, der uns die Meisterschaft nicht in stufenwei- ser Entfaltung“ bringe, sondern gleich vollkommen erschienen sei, angekündigt. Dank dieser Reklame konnte Brahms seine ersten Werke zwar gut verkau- fen, vermochte der übergroßen Erwartung an sich selbst allerdings kaum gerecht werden. Dem Artikel Schumanns folgte eine Krise. Allmählich erst schöpfte Brahms wieder Mut, konzertierte und un- terrichtete am Detmolder Hof. Die erhoffte Anstel- lung in seiner Heimatstadt Hamburg blieb jedoch aus, und nach einigen „Wanderjahren“ zog Brahms 1863 schließlich nach Wien, um die Leitung der Sing- akademie für eine Saison zu übernehmen. „Grandioses, wetterleuchtendes, von Stürmen der Leidenschaft durchwühltes Nachtstück“ Bald fand er jedoch einen Weg, inzwischen mit gefestigtem Ruf als Klaviervirtuose, im Winter mit Konzertreisen seinen Lebensunterhalt zu verdienen, um im Sommer ungestört komponieren zu können. Diese Sommerfrischen waren geprägt vom Besuch etlicher Freunde, die ihn schöpferisch anregten. Vor allem klein besetzte Werke entstanden so in der Auseinandersetzung mit dem ihm vertrauten und ihn umgebenden Instrumentarium. War ein Stück fertig, reichte er es herum, ließ es probieren, sich vor- spielen und kritisieren. Erst nach diesem ausgiebi- gen Test wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dem Deutschen Requiem erreichte er 1868 den Durchbruch als Komponist und sein eigentliches Ziel, die symphonische Form. Mit der vierten Symphonie 1885 trat ein neuer, kargerer Ton in sein Werk. Brahms wandte sich wieder verstärkt der kleinen Besetzung zu. Die drei Sommer 1886 bis 1888 stan- den ganz im Zeichen der Kammermusik. Die dabei entstandene dritte Violinsonate, von Brahms‘ Freund Max Kalbeck als die „ernste Zwillingsschwester“ der Zweiten bezeichnet, fällt im ersten Satz mit einem Orgelpunkt auf, im zweiten mit einer „unendlichen Melodie“. Der Finalsatz, eine Mischung aus Rondo und Sonatensatz, „ohne Zweifel […] der Gipfel des Werkes“, offenbart sich als „grandioses, wetter- leuchtendes, von Stürmen der Leidenschaft durch- wühltes Nachtstück“ (Kalbeck). Zugeeignet ist die Sonate Hans von Bülow, dessen enges Verhältnis zu Brahms wegen einer Verstimmung um die Berliner Aufführung der vierten Symphonie gelitten hatte und durch dieses Zeichen rehabilitiert werden konnte. Die kammermusikalische Form als Ort des Rückzugs bot sich ihrer intimen Besetzung wegen an – so nimmt es kein Wunder, dass in Zeiten von Resigna- tion, aber auch ganz existenzieller Not gerade sie einen Ausweg im Künstlerischen bot. Von Dmitri Schostakowitsch ist bekannt, dass er, 1936 mit dem Vorwurf des Formalismus – eine Gefahr für Kunst und Leben – konfrontiert, die klein besetzte Form wählte, um Angst und Verzweiflung zu verarbeiten, während seine Symphonien in ihrer Mehrdeutigkeit affirmativ an der Oberfläche, ambivalent zwischen den Tönen einen gewissen Schutz boten. Mieczysław Weinberg, 1919 in eine jüdische Fami- lie in Warschau geboren, 1939 vor den National- sozialisten nach Minsk und 1941 weiter nach Tasch- kent geflohen, bald in engem Austausch mit Schos- takowitsch stehend, hatte den stalinistischen Erprobte Stücke, musikalische Referenzen, kapriziöse Gespräche Von Katrin Bicher 16 Wird präsentiert von der ENSO Energie Sachsen Ost AG Ludwig van Beethoven auf einem idealisierten Gemälde von Karl Joseph Stieler (1781-1858). In der Hand hält der Komponist eines seiner bedeutendsten Werke, die „Missa solemnis“. Im kommenden Jahr feiert die Nachwelt den 250. Geburtstag des Komponisten.

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