27. Festival Sandstein und Musik
bekannt genug“. In Dresden unterlag er noch im Pro- bespiel für den Organistenposten der Sophienkirche Wilhelm Friedemann Bach. Später, in Berlin und Pots- dam, teilte sich Schaffrath mit dem zweitältesten Bachsohn Carl Philipp Emanuel die Rolle des Cem- balisten in der Hofkapelle Friedrichs II. Dresdens Hofkapelle galt in barocken Zeiten als Perle unter den europäischen Orchestern. Zahlreiche Musiker von Rang begründeten die internationale Ausstrahlung und Vernetzung des Klangkörpers, dessen Tradition die heutige Sächsische Staats- kapelle fortführt. Die exzellente Qualität strahlte bis nach Italien und inspirierte. So ersann der Vene- zianer Antonio Vivaldi sein Concerto g-Moll RV 577 „per l’Orchestra di Dresda“ – „für das Dresdner Orchester“. Unter Leitung des Konzertmeisters und Vivaldi-Schülers Johann Georg Pisendel kamen an der Elbe nicht nur barocke Konzerte schlechthin, sondern sehr facettenreich besetzte Ensemblemusik – Konzerte mit mehreren Soloinstrumenten – in Mode und prägten einen vermischten Geschmack. Nicht Vivaldi, sondern Pisendel selbst, der einer Kantorenfamilie aus Cadolzburg entstammt und 1712 Konzertmeister in Dresden wurde, soll hier mit einer Komposition vertreten sein – natürlich geschrieben für „sein Instrument“, die Violine. Lust macht Vergnügen Georg Philipp Telemann gilt als einer der größten Genies seiner Epoche, zu Lebzeiten moderner, populärer als Bach, heute eher in dessen Schatten stehend. 1701 gründete er als Jurastudent in Leipzig ein Collegium musicum und komponierte für die Hauptkirchen, übernahm 1702 die musika- lische Leitung der Oper. Es begann eine Serie ver- heißungsvoller Ämter an verschiedenen Orten, die vom Ansehen eines Musikers zeugten, der wählen und abwählen durfte. Etwa verzichtete Telemann auf die Position des Leipziger Thomaskantors und machte so 1723 den Weg für Bach frei. Für die letzten 46 Jahre seines Lebens war Hamburg zum Lebens- und Schaffensmittelpunkt Telemanns ge- worden. Telemann war ungeheuer fleißig: Nicht weniger als 3620 Kompositionen sind nachweisbar! Sie hatten Musiker und Publikum klar im Visier: „So hat der Spieler Lust, du hast Vergnügen dran“, schrieb Telemann, doch waren nicht nur Unterhaltung und Belustigung sein Ansinnen, sondern er setzte eben- so auf das Bildungspotenzial, das den Stücken inne- wohnt und das man sich auf dem langen Weg ihrer Aneignung erschließt. Im Vorwort zu „Calypso“ (Ham- burg 1727) vermutet er, 1. Konzert Pirna, Kirche St. Marien Samstag 23. März 2019 17:00 Uhr Pirna. Die Pirnaer Stadtkirche St. Marien ist das bedeu- tendste sakrale Bauwerk in der Sächsischen Schweiz. Sie gehört zu den schönsten spätgotischen Hallen- kirchen in Sachsen. 1546 wurde die Kirche geweiht. Der zehn Meter hohe und fünf Meter breite mehr- geschossige Sandsteinaltar, der 1610 von den Pir- naer Bildhauern Michael und David Schwenke ge- schaffen wurde, zählt zu den Hauptwerken deutscher Spätrenaissance. Die Orgel wurde 1842 von dem Dresdner Orgelbauer Jahn errichtet. 13 Programm Pavel Josef Vejvanovský (um 1633-1693) Suite für zwei Trompeten, Streicher und Basso continuo C-Dur 1. Sonata 2. Allemande 3. Courante 4. Sarabande 5. Canario 6. Gavotte 7. Sonatina Georg Philipp Telemann (1681-1767) Concerto für Violine, Streicher und Basso continuo B-Dur TWV 51:B1 („Pisendel-Konzert“) 1. Largo 2. Vivace 3. Adagio 4. Allegro Petronio Franceschini (1651-1681) Sonate für zwei Trompeten, Streicher und Basso continuo C-Dur 1. Grave 2. Allegro 3. Adagio 4. Allegro Pause Christoph Schaffrath (1709-1763) Sinfonie für Streicher und Basso Continuo A-Dur 1. Allegro 2. Andante sempre piano 3. Allegro Johann Georg Pisendel (1687-1755) Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo Es-Dur 1. Allegro 2. Largo 3. Vivace Georg Philipp Telemann Konzert für zwei Corni da caccia, Streicher und Basso continuo F-Dur 1. Largo – Allegro 2. Siciliana 3. Allegro Ausführende Solistenensemble der Virtuosi Saxoniae Ludwig Güttler (Trompete, Corno da caccia) Volker Stegmann (Trompete, Corno da caccia) Roland Straumer (Violine) Johanna Mittag (Violine) Holger Grohs (Violine) Henriette Mittag (Viola) Basso continuo Tom Höhnerbach (Violoncello) Bernd Haubold (Kontrabass) Friedrich Kircheis (Cembalo) Leitung: Ludwig Güttler Konzertdauer ca. 1 Stunde 35 Minuten inkl. Pause „daß das Vergnügen / so wir von den allerbeweglich- sten [meint: am meisten bewegenden] Thönen der Instrumental-Music empfinden, zum Theil durch gewisse Idéen, die wir denselben beyfügen, von Gemüths=Bewegungen, so unserer Einbildung nach durch diese Thonen exprimiert werden, verursacht wird“. Mit „gewissen Ideen“ war Telemann reichlich gesegnet, wovon auch die beiden Konzerte für verschiedene Instrumente künden, die dieses Pro- gramm mit den Solisten der Virtuosi Saxoniae ent- hält. Das Concerto B-Dur für Violine, Streicher und Basso continuo TWV 51:B1 widmete Telemann einem besonders verehrten, hier schon erwähnten Musiker: Johann Georg Pisendel. Pisendel ist ein Bei- spiel für den künstlerischen Nährboden, den Tele- mann in Dresden fand, das er 1719 besuchte – an- lässlich der Vermählung des sächsischen Kurprinzen Friedrich August mit der österreichischen Erzherzo- gin Maria Josepha. Vermutlich entstand dieses „Pisendel-Konzert“ auch an der Elbe. Telemanns Konzerte – erhalten sind über 100 – sind mehrheitlich handschriftlich überliefert, undatiert und in Darmstadt und Dresden aufbewahrt. Höchstwahr- scheinlich entstand ihr größter Teil bis 1730. Auch Hornkonzerte befinden sich darunter. Freude am Repräsentieren, Leidenschaft für die Jagd, fortschrei- tende klangliche Ausdifferenzierung des Konzert- satzes, schließlich die wachsende Beliebtheit von Konzerten „a diversi concertanti“ und des regional „vermischten Geschmacks“ – all dies beflügelte den Siegeszug des Corno da caccia in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Komponisten mochten sich der wachsenden Nachfrage gar nicht entziehen – auch Telemann nicht, wie das Doppelkonzert zum Ausklang dieses Programms hören lässt.
RkJQdWJsaXNoZXIy NTM3MTM=